Syphilis

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Syphilis (v. grch. Syphilus/Saufreund; “die nuwe krenckde”, Lustseuche, St. Jobs Krankheit, Franzosenkrankheit, mal franzoso, Morbus Gallicus, böse Blattern, pestis nova, nova lues [lat. lues = Seuche], oletum [v. lat. olens = stinkend]; wiss. Lues venera). Chronische Geschlechtskrankheit, verursacht durch Treponema pallidum aus der Familie der Spirochäten. Die Infektion erfolgt beim Geschlechtskontakt, fernerhin auch über die Placenta. Charakteristische Erscheinungen sind: schmerzlose, geschwürige und verhärtende Veränderungen am Infektionsort (“harter Schanker”), nach wenigen Wochen Entzündung der regionalen Lymphknoten, danach Allgemeinerkrankung mit übelriechenden Zersetzungen im Mund-, Nasen- und Rachenraum (Rhinopharyngitis mutilans) bis hin zu weggefressener Nase und herauseiternden Augen, schmerzhaftem Kochenfraß, Gelenksdegenerationen bis hin zur Luxation, ulzerierenden, übelriechenden, hochansteckenden Papeln (boese blateren) und als Spätfolge progressiver Paralyse und Tabes dorsalis (Rückenmarksschwindsucht). In zeitgenössischen Beschreibungen der Krankheit erscheinen Bezeichnungen wie Krätze, Räude, wilde Warzen, Pusteln, Pocken, Ausschlag, Ulcera mala, Scabies usf., was darauf schließen lässt, dass Hautaffektationen nicht immer der richtigen Krankheit zugeordnet wurden. Die Bezeichnung Syphilis sollte erst der Italiener Girolamo Fracastorius prägen (1530; “Syphilis sive Morbus Gallicus”, nach einem mythischen Hirten namens Syphilus {=Saufreund}, den Apollo mit Geschwüren und nächtlichen Schmerzen gestraft hatte).

Die Krankheit war von den Seeleuten des Kolumbus 1493 von den Antillen nach Barcelona eingeschleppt worden und wurde von den Söldnern des Vielvölkerheeres des franz. Königs Karl VIII. zunächst nach Italien (Neapel) gebracht und dann im übrigen Europa verbreitet. Deutsche Kriegsknechte brachten “die bösen blatern” im November und Dezember 1495 ins Elsaß, die Schweiz und nach Schwaben. Im Jahr darauf gelangten sie rheinabwärts nach Köln und mainaufwärts nach Nürnberg. 1497 trat “die seuch der Franzosen” in Thüringen, Wien und Prag auf, im Folgejahr im deutschen Osten, in Niederdeutschland und Jütland. Überall in Europa traf sie auf eine bis dahin undurchseuchte, völlig widerstandslose Bevölkerung und forderte entsprechend viele Opfer. So kehrten im Oktober 1495 von den 8.000 Schweizern, die mit Karl VIII. nach Italien gezogen waren, ganze 148 Mann nach Bern zurück, und unter diesem kläglichen Rest schleppten sich an abstoßenden Hautgeschwüren Leidende dahin.

Als Ursache des franzoso erkannten die Gelehrten einmal einen Pesthauch (wahrscheinlich aufgrund des Gestanks aus Mund und Nase), ein andermal die Konjunktion von Jupiter und Saturn im Haus des Skorpions (1484; von daher rührt das Akronym Patursa – für “Passio turpis saturnia” [schändliches saturnisches Leiden]). Schon 1495 kam jedoch der Verdacht auf, dass Sexualkontakt, aber auch der sorglose Umgang mit Schröpfköpfen und Aderlasseisen (die unterschiedslos für Kranke und Gesunde benutzt wurden) für das Angehen der Krankheit verantwortlich sein könnten.

Der Vielfalt der Krankheitserscheinungen entsprach eine Vielzahl von therapeutischen Ansätzen; diese umfassten diätetische, medikamentöse, physikalische, chirurgische und administrative Maßnahmen. Zu letzteren zählten die Schließung von Bordellen und Badstuben, Absonderung der Kranken in Sondersiechenhäusern oder Arretierung auf Inseln, Umwidmung von Frauen- in Sondersiechenhäuser (“Franzosenhäuser”; z.B. Würzburg, 1496). Frühe Schriften zu der Krankheit stammen von Conrad Schellig (“In pustulas malas, morbum quem malum de Francia vulgus appellat”; 1495) und Dietrich Theoderich Ülzen (“Vaticinium in epidemicam scabiem, quae passim toto orbe grassatur”; 1496). Therapeutische Hilfe suchte man u.a. bei Theriak (Mithridaticum), Belladonna oder Arsenik. Um 1500 hatten sich dann im wesentlichen zwei Behandlungsformen – jeweils verbunden mit Schwitzbädern – herausgebildet: die Schmierkur mit Unguentum griseum (einer Quecksilber-in-Schweineschmalz-Emulsion) und die Trinkkur mit Holztee (einem Absud von Spänen des Guajak-Holzes [“lignum sanctum”] aus Mittelamerika. Die Quecksilberkuren waren aber wegen ihrer schädlichen Wirkungen bis hin zu Todesfällen sehr umstritten.)

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