Verbrechen

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Verbrechen (mhd. verbrechen, ahd. farbrechan = zerbrechen, etwas Gebotenes verletzen; im heute geläufigen Sinn einer von höherer Strafe bedrohten Rechtsverletzung in mittelalterliche Rechtsquellen noch nicht zu finden; dafür stehen: missetat, untat, ungetat, unreht, ungerihte, übeltat, laster, vrevel; lat. crimen, maleficium, malefactum, excessus, forefactum). Ursprünglich wurde zwischen privatrechtlichen Delikten (delicta, maleficia) und durch öffentliche Strafen bedrohten Verbrechen (crimina) unterschieden. Die Kriminalgeschichte zeigt jedoch, dass zu verschiedenen Zeiten Unrechtsakte unterschiedlich eingestuft und beurteilt werden konnten, dass manche Handlungen kriminalisiert wurden, während andere ihre Strafbarkeit verloren, und dass sich die größere oder mindere Schändlichkeit (und damit Strafwürdigkeit) einer Untat nach Geburtsstand des Täters und nach den Tatumständen richtete. So führten beispielsweise im Frühmittelalter Verbrechen seitens Angehöriger der Oberschicht nur dann zu Konsequenzen (s. Acht, Blutrache, Fehde bzw. Sühne, Wergeld), wenn die Belange rechtlich Gleichstehender betroffen waren, oder wurden Mord und Brandstiftung umso härter bestraft, wenn sie heimlich begangen worden waren.

Unter Delikten (causae minores), für die Niedergerichte zuständig waren, verstand man die minderschwere Verletzung eines fremden Rechtsgutes (kleiner Diebstahl [furtum] bis zu einem Wert von 5 solidi, minderschwerer Raub [bis 5 solidi], arglistige Schädigung [dolus] und Erpressung [metus]), die durch Zahlung einer Buße oder durch Privatstrafe (poena) abgeglichen werden konnten. Auch leichtere Vergehen (unfuoge, unzuht, unreht) wie Sachbeschädigung (damnum, iniuria datum), Beschimpfung (contumelia), Beleidigung (offensio), üble Nachrede, Zanksucht, Gewalttätigkeit (vis, violentia) usf. konnten durch Bußzahlung, durch öffentliche Abstrafung (Stäupen, Pranger), Turmhaft oder durch Stadtverweisung gesühnt werden.

Als Verbrechen (causae maiores; pinliche sachen, böse dinge), die der hohen Gerichtsbarkeit zugeordnet waren und an Leib und Leben bestraft wurden, galten Majestätsverbrechen und Hochverrat (laesa maiestatis), Mord (mortificatio), Totschlag (homicidium), Straßen-, Kirchen- und Seeraub (strazroup, wazzerroup; latrocinium), schwerer Diebstahl, Falschmünzerei, Frauenraub und Vergewaltigung (raptus), Inzest, Eheschließung zwischen Freien und Sklaven, Treubruch und Eidbruch (Felonie), Häresie und Hexerei.

Man unterschied zwischen den mit Vorsatz (mhd. vorsatz, vürsatz; lat. propositum) bzw. willentlich (mit willen, mit willender hant) begangenen Straftaten, solchen die aus Fahrlässigkeit zustande kamen und zufälligen Taten. Bei vorsätzlichen Taten schied man die mit Vorbedacht (mit bedahtem mute, animo deliberato) begangenen von den im Affekt erfolgten (mit unbedahtem mute, unbedehtecliche, sine consilio) und ahndete die letzteren milder. Auf fahrlässige Taten folgten keine peinlichen Strafen, wohl aber Bußleistungen.

Bei gemeinsam begangenen Verbrechen verfielen zumeist alle Täter der gleichen peinlichen Strafe. Auf Bandenkriminalität bezieht sich der Begriff der Beihilfe; man unterschied dabei den Haupttäter und seine Gehilfen (Folger). Meist erlitten die Gehilfen mildere Strafen, bei schweren Missetaten wurden sie jedoch auf gleiche Weise wie der Haupttäter bestraft.

In Armut gefallene Unfreie und heimatloses Volk (s. Fahrende, landschädliche Leute) sorgten für eine – teilweise bandenmäßig betriebene – Dauerkriminalität, bei welcher Vergehen vorherrschten wie Bettelbetrügerei, Diebstahl, Grabfrevel, Wilderei, Raub, Mord und Totschlag. Da Straffällige aus der Unterschicht zu den – teilweise auch für Bemittelte ruinösen – Bußzahlungen nicht fähig waren, wurden sie durch erniedrigende Strafen an Haut und Haar, an Hals und Hand bestraft. Unter verschärfter Strafandrohung standen Taten, die heimlich, bei Nacht oder gegen Wehrlose begangen und vor Gericht abgeleugnet wurden (s. Meintat, unehrliche Strafsachen).

Im Spätmittelalter grassierten Raub- und Fehdelust der Ritter, blühte das Raubritterunwesen mit Mord, Verstümmelung, Brand und Geiselnahme. Überführte Strauchritter wurden standesgemäß enthauptet, auch ohne viel Federlesens aufgehängt, soweit sie auf “handhafter Tat” ergriffen worden waren. Ihre nichtadligen Spießgesellen wurden durch Rädern oder andere qualvolle Prozeduren zu Tode gebracht oder verstümmelt (s. Todesstrafen, Verstümmelungsstrafen). Für die “landschädlichen Leute” (Gewohnheitsverbrecher) wurde die Bußzahlung endgültig durch peinliche Strafen abgelöst.

Das kanonische Recht enthielt Strafbestimmungen für Vergehen wie Wucher, Simonie, Abtreibung, Ungehorsam gegenüber kirchl. Vorgesetzten, Ehebruch usf. Auf kirchl. Initiative hin wurden Hexendelikte, Ketzerei und Sodomie als crimina capitalia und crimina mixti fori von der weltl. Hochgerichtsbarkeit verfolgt.

(s. Brandstiftung, Brunnenvergiftung, crimina excepta, crimina mixti fori, crimina ordinaria, Diebstahl, Felonie, Geisel, Gotteslästerung, handhafte Tat, Hexendelikte, Ketzer, Kindestötung, Kindesaussetzung, Kirchenraub, Körperverletzung [s. Verwundung], Majestätsverbrechen, Meintat, Münzvergehen, Mord, Raub, Selbstmord, Sodomie, Totschlag, unehrliche Strafsachen, Urkundenfälschung [s. Fälschungen], Vergewaltigung, Verrat, Verwundung, Wilderei, Wucher)

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